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Die «Glasi»

Der Ofen war kalt, als Roberto Niederer im Dezember 1975 die Glashütte Hergiswil betrat. Eben hatte die Gemeinde Hergiswil dem Kauf des Hüttenareals zugestimmt. Jetzt sollte der Glaskünstler die Geschichte der 1817 gebauten Glashütte fortschreiben. Das Geschäft lag am Boden. So tief, dass Roberto Niederer die späteren Höhenflüge der «Glasi» nur in seinen kühnsten Träumen erahnen konnte. Flüsterte ihm sein inneres Feuer, dass dereinst einhundert Hergiswiler Glas-Amphoren als betörend schöne, luzide Glaskunstinstallation in der Kathedrale von Canterbury hängen würden? Dass sein Sohn Robert und sein Enkel Leandro die «Glasi» erst recht zum Besteller machen würden? Der feurige Erfolg in drei Epochen.

 

 

1817
Wie das Holz zur «Glasi» führte

Die Schwarzwälder Familie Siegwart errichtete 1723 ihre ersten Glashütten im Entlebucher Flühli. Sie benötigten derart viel Holz für den Glas-Ofen, dass der Kanton Luzern sich hundert Jahre später gezwungen sah, ein Rodungsverbot zu erlassen, um die schwindenden Waldbestände zu schützen. So liessen sich die Siegwarts 1817 in Hergiswil am Vierwaldstättersee nieder. Auf dem Seeweg wurden Holz und Rohstoffe in Fülle angeliefert und im Gegenzug von Hand gefertigte Gläser spediert: Kelch-, Kaffee- und Einmachgläser (Marke Helvetia), Krüge, Karaffen, Gläser für die chemische Industrie oder auch Schauzylinder. Später kamen Pressgläser dazu: Schüsseln, Teller, Schalen, Henkelbecher, Schubladen wie auch Salzmesten. Zu Glanzzeiten arbeiteten bis zu 500 Leute in der «Glasi».


1975
Der Mut in der Not

Mit dem Aufkommen der Industrialisierung in den 1960er- und 1970er-Jahren überschwemmte maschinell hergestelltes, extrem billiges Glas aus dem Ausland den Schweizer Markt. Die «Glasi» Hergiswil konnte nicht mithalten. 1975 lag das Geschäft am Boden. Rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bangten um ihre Arbeitsplätze. Das konnte es doch nicht gewesen sein! Der Glaskünstler Roberto Niederer, Kunde der «Glasi» seit 1956, überzeugte die Gemeinde Hergiswil und diese kaufte – mit Einwilligung der Bevölkerung – im Dezember 1975 das Areal: Die Hergiswiler Glas AG war geboren. Sie stand dem Visionär Niederer vorerst in Miete, später im Baurecht zur Verfügung.


1988
Einzigartig in vieler Hinsicht

Die künstlerisch-eigenständige Linie von Roberto Niederer mit hand­gefertigtem Glas wurde Kult – spätestens, als sein Sohn Robert Niederer nach dem plötzlichen Tod des «Glasi»-Begründers 1988 die Leitung übernahm. Er kaufte das Produktionsareal der Gemeinde zurück: Seit Ende 1997 ist die «Glasi» Hergiswil vollumfänglich im Besitz der Firma. Die einzige Glashütte der Schweiz trotzt dem Strukturwandel bis heute mit Innovationen: Besucher erleben die Werkstätte live. Zugleich bewiesen die heute rund 100 «Glasi»-Lüüt mit dem 20 Meter hohen Glasturm, dass sie sich auf mehr als grandiose Glaskreationen für eine gehobene Tafelkultur oder erlesenes Wohnen verstehen. Und Nonno Roberto Niederer – er war ein gebürtiger Kalabrese – wäre es spätestens im April 2018 ganz warm ums Herz geworden: Leandro Niederer trat in dritter Generation als Verwaltungsrat der Hergiswiler Glas AG an.

 

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